97. Hermann Hesse
Der göttliche Kern war das Ziel all meines Seins als Dichter
Hermann Hesse ruft und grüsst, der alte Mann des Wortes und des Geistes. Suchender zeit seines langen Lebens, Entbehrungen erlitten an Körper und Seele, welche sich letztendlich als Chance, als Geschenk entpuppten.
Ja, ich habe viel nachgedacht, sinniert. Vielleicht fast zu viel. Und doch konnte ich nicht umhin, diesem Weg des Geistes, zu folgen. So vieles, das mich beschäftigte, so vieles, das mich umtrieb, wollte in Worte, in Sätze gefasst werden. Wollte der Nachwelt Botschaft bringen vom Ringen um Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden.
Es war oft dunkel in meinem Leben. Hervorgerufen durch die politischen, oft Kriegswirren, oft aber auch dem persönlichen Umfeld entstammend, zuzuschreiben. Es war ein schweres Leben und doch auch ein schönes Leben. Glasmurmeln gleich, in den verschiedensten Farben leuchtend. Hin und her rollend bisweilen an den Fäden des Schicksals. Und doch – das erkannte ich mit zunehmendem Alter – war ich in mir geborgen, war da ein Ort tief in mir, an dem ich Ruhe und Trost fand. Heute weiss ich mit Sicherheit, dass das mein göttlicher Kern war, der Ort, wo dir nichts, gar nichts geschehen kann.
Dieser göttliche Kern – auch wenn ich ihn oft anders nannte – war das Ziel meiner Bestrebungen, all meines Seins als Dichter. Heute weiss ich mit Gewissheit, dass ich mir als Seelenplan vorgenommen hatte, den Menschen von diesem inneren Dasein zu berichten. Von diesem Weg dahin. Vom ewigen Suchen, das dort sein Ende, seine Erlösung findet. Und um dies echt und wahrhaftig schildern zu können, blieb es mir nicht erspart, selber manchmal durch Höllen zu gehen, die Finsternis zu durchqueren, um vom Licht künden zu können. Denn Kunst besteht nicht nur darin, schöne Sätze und Reime formulieren zu können, sondern auch darin, sie mit gelebtem Inhalt zu füllen.
Heute ruhe ich mich aus, bin an einem Ort des absoluten Friedens. Balsam für meine bisweilen geschundene Seele. Sie heilt hier, kommt wieder zu Kräften. Manna wird uns hier gereicht, göttliches und irdisches Manna zugleich. Labsal fürs Sein, fürs Weiterwirken.
Ich bin dankbar für meine Zeit als Dichter und Mensch, doch nun werde ich neue Wege gehen. Vieles hat sich erfüllt, darf sich nun verneigen vor IHM, da vollkommen geworden.
Ich schliesse mit aufmunternden Worten an alle, die auf der Suche sind: Gebt nicht auf! Nie! Sucht dort, wohin euch euer Herz führt! Es wird euch den Weg zeigen, denn es kennt ihn. Das Herz ist eng verbunden mit der Ewigkeit, während der Verstand sich oft blenden oder gar verwirren lässt. Ihm ist nur bedingt zu trauen.
Noch eine Bemerkung zur Stille sei mir erlaubt, bevor ich mich verabschiede ins Jenseits, zurück in meine Grosse Heimat.
Stille ist DER Ort, wo ihr Antworten findet, wo sie aufsteigen dürfen aus eurem Inneren. Gewährt, schenkt euch diese Stille! Sie wird euch reichlich entlöhnen mit Weisheit und Einsichten, derer ihr auf eurem Weg bedürft, derer ihr euch bis anhin nicht bewusst ward.
Stille – ein magisches Wort für einen Suchenden. Scheut euch nicht, auch wenn sie sich zu Beginn vielleicht befremdlich, bedrohlich gar anfühlen sollte. Sie wird sich als treue Freundin erweisen, jederzeit bereit, euch die Hand für die nächste Stufe zu reichen.
In diesem Sinne ziehe ich mich dankend zurück, Segen wünschend euch allen aus diesen himmlischen Gefilden. Geniesst euer Leben, euer Sein. Euren Atem, der euch mit dem Ewigen verbindet.
In Ewigkeit, Amen.