98. Vincent van Gogh
Die Suche nach dem Licht
Vincent van Gogh ist da, der grosse Maler und Sucher. Liebhaber des Lichts und der Farben des Südens.
Ich begrüsse euch aus dem Licht, das ich nun gefunden habe!
Wie armselig war im Vergleich dazu mein Licht im Süden Frankreichs, obgleich es mich damals tief erfüllte, mich schwindelig machte! Ich trank es, kostete es aus, suchte nach noch mehr Licht – im Innen. Doch im Innen fand ich es damals nicht. Da war es dunkel, blieb es dunkel. Das Leben war zu schwer, zu hart. Trotz meinem Bruder, trotz Freunden und wohlmeinenden Menschen. Solange es im Innen dunkel ist, kann dich die Sonne nicht erreichen.
Und doch – ich widerspreche mir: Sie hat mich erreicht, die Sonne. Sie hat mich aufgewärmt. Mich zum Vibrieren gebracht. Nach draussen gejagt auf der Suche nach Motiven, um sie noch besser darzustellen, sie und ihr Licht.
Es war eine karge Zeit damals, nicht nur für mich. Die Bauern auf dem Felde, die im Schweisse ihres Angesichts schufteten, hatten wohl oft zuviel des Lichts, dieser Sonne, die auch unbarmherzig sein kann. Die auslöchert. Wunden aufreissen kann.
Ich bin heute dankbar für jene Zeit und Frankreichs Sonne. Denn sie hat mir die Augen geöffnet für das, was ich wirklich suchte: Das Licht im Innen. Das sich gegenseitig Vermischen des Lichtes von aussen und von innen. Dieses Hin- und Her-Tanzen der Lichtpartikel, des Sonnenstaubes von innen und aussen. Ich erkannte, dass es letztlich um das Licht im Innen geht. Dafür war ich damals gekommen – als Licht-suchender, Licht-hungriger Mann.
Mein Leben ging weiter, auf anderen Ebenen. Geblieben von damals sind meine Bilder. Ich liebe sie immer noch, erkenne darin heute meine immense Kraft von damals. Meine unbändige Lust, mich auszudrücken, meine schiere Gier nach Farben und Formen. Meinen unstillbaren Lebenshunger. Denn, auch das habe ich erkannt: Licht und Lebensfreude hängen eng zusammen. Fröhlichkeit und Tanz brauchen Licht, erzeugen ihrerseits aber auch Licht.
Es sind dies aber nur Etappen auf dem Weg zum Sein. Eine Ahnung, die uns streift von dem, was wirklich ist, worum es wirklich geht.
Ein wahrer, echter Künstler trägt diese Ahnung in sich. Er weiss darum, dass es in der Tiefe noch mehr hat. Dieses «mehr» versucht er auf seine Art und Weise auszudrücken. Er kreist darum, mit Worten, Bildern, Tönen.
Wir Künstler sind auf Erden gesandt, um zu künden von der eigenen Suche nach IHM – und um gleichzeitig auf IHN hinzuweisen. Das zerreisst uns bisweilen beinahe. Denn nichts, nichts kann IHM letztlich gerecht werden, ausdrücken, wer ER wirklich ist.
Meine Bilder versuchen auch, Seinen Atem einzufangen, den ich erahnte, wenn ich irgendwo sass und malte. Ich spürte die Lust an der Kunst, mich auszudrücken – und da war noch etwas, das mich antrieb: Sein Atem. Sein Finger, den ich ab und zu leise, sanft spürte. Und dann weinte ich wie ein kleines Kind. Und malte weiter, in der Hoffnung, IHN wieder zu spüren, Seine Seele zu vernehmen. Das trieb mich letztlich zu meinem letzten dummen Schritt, der so nicht gedacht war, sondern ein verzweifeltes Suchen nach IHM, Seiner Hand.
Ach, und dabei war ER gar nicht weit – ER war ja immer in mir, bei mir. IN mir ruhend. Nun weiss ich darum, in einer neuen Inkarnation als Frau. Mit Bezug zu Frankreich, zum Licht, zur Kunst, und doch auf anderen Wegen wandelnd. Es ist rund nun und ich darf das Licht uneingeschränkt geniessen, aufnehmen.
In Ewigkeit, Amen.
Es ist gegeben und ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Gepriesen sei ER. Und das Licht. Die Sonne, unser aller Vater als Hüter. Denn auch Sonne ist heilig, von IHM geschaffen. Ehrt Sonne!
Achai.
Amen.